Im Rottal ist das Karpfhamer Fest wie die fünfte Jahreszeit. Das Volksfest mit seiner großen Ausstellung, den sechs Bierzelten und dem Vergnügungspark macht das Jahr erst komplett und gehört zur Region wie die Wiesn zu München. Gleiches gilt für die Holzhamer Hütte, die nachweislich eine mindestens 150-jährige Tradition hat und bereits seit über 100 Jahren von der Familie des Landgasthofes Winbeck bewirtet wird. “S’Karpfhamer Fest gherd einfach zu uns”, sagt Henrike Winbeck und beschreibt gemeinsam mit Sebastian Lösing, was das Volksfest und die Holzhamer Hütte ausmacht.
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Die Festwirte der Holzhamer Hütte, Henrike Winbeck und Sebastian Lösing.
Die heutige Seniorchefin Martha Winbeck (ganz vorne) bei einem Festzug zum Karpfhamer Fest in den 50er-Jahren.
Wie kam das alles mit der Holzhamer Hütte für eure Familie?
Henrike: Die Bewirtung als Festwirtsfamilie war beim Anwesen in Holzham, das meine Urgroßeltern 1919 kauften, mit dabei. Es war damals vor allem eine Landwirtschaft, die Gastwirtschaft wurde nebenbei gemacht und dann gab es eben jährlich noch die Holzhamer Hütte am Karpfhamer Fest. Das Festzelt ist also schon immer mit dem Landgasthof verbunden und auch die Übergabe von Generation zu Generation wird genau gleich gehandhabt. 1969 haben meine Eltern, Martha und Sebastian Winbeck, von meinen Großeltern übernommen. Sie waren bereits die dritte Generation.
Die Geschichte der Holzhamer Hütte geht aber noch weiter zurück, oder?
Henrike: Die Holzhamer Hütte gibt es nachweislich seit 1874, vermutlich schon länger, aber ab diesem Jahr gibt es Aufzeichnungen und historische Nachweise über sie. Was vorher war, weiß man nicht gesichert.
Sebastian: Das heißt aber natürlich, im Jahr 2024 hat die Holzhamer Hütte auf jeden Fall das mindestens 150-jährige Jubiläum. Und unsere Familie ist auch schon seit über 100 Jahren Festwirtsfamilie, eine lange Tradition also.
Wo wir gerade bei Zahlen sind, habt ihr ein paar rund um das Karpfhamer Fest?
Henrike: Natürlich. Also es ist eines der ältesten Volksfeste bei uns in Bayern und über 800 Jahre alt. Entstanden ist es aus einem Gerichtstag auf der Karpfhamer Wiese, bei dem früher auch immer eine Jahrmarkt aufgezogen wurde. Heute haben wir eine Ausstellung mit bis zu 800 Ausstellern, vor allem aus der Landwirtschaft, aber auch aus dem Gewerbe und der Energiewirtschaft. Dazu kommen im Volksfest sechs Bierzelte.
Sebastian: In denen haben wir über 20.000 Sitzplätze. Das Karpfhamer geht über sechs Nächte und fünf Tage und es kommen mittlerweile jährlich um die 400.000 Besucher.
Seniorchef Sebastian Winbeck mit Monica Reichsgräfin von Arco auf Valley und Otto Reichsgraf von Arco auf Valley bei einem Festzug zum Karpfhamer Fest in den 60er-Jahren.
Henrike Winbeck mit ihrer Schwester Martina auf dem Pferdegespann der Brauerei Graf Arco.
Henrike Winbeck mit ihrer Mutter Martha Winbeck beim Festzug zum Karpfhamer Fest.
Gibt es eine Kindheitserinnerung an das Fest und die Holzhamer Hütte, die euch bis heute im Gedächtnis geblieben ist?
Henrike: Wir sind früher, als wir klein waren, immer mit den Pferden zum Fest gefahren. Damals war das große Brauereigespann noch jeden Tag da, sie hatten die Pferde bei uns am Hof eingestellt. Wir Kinder sind dann gleich in der Früh mit den Rössern nach Karpfham gefahren. Das Blöde war nur, dass wir später dann auch wieder mit dem Gespann zurück mussten. Und das wollten wir natürlich eigentlich nicht. Immerhin mussten die bei Helligkeit wieder heimfahren und wir wären da gerne immer noch länger geblieben.
Sebastian: Ich hab auch noch eine Kindheitserinnerung und zwar das Hochwasser. Das ist zwar nichts Schönes, aber es ist etwas, das ich noch deutlich in Erinnerung habe.
Henrike: Das war 1999, da gab es ein Hochwasser im Karpfhamer Fest.
Sebastian: Und das während des Betriebes! Ich weiß noch, dass sich einige Leute auf den Boden gelegt haben und dachten, sie könnten mitten im Zelt schwimmen.
Henrike: Es war schon verrückt. Das Wasser ist von Karpfham – vom Ort – hereingekommen. Der Bach hat sich gestaut und ist übergegangen. Die Schwaimer Hütte war damals vorne am Festplatz noch quer aufgestellt, bei ihnen ist das Wasser direkt von der Straße her ins Zelt hineingeschossen und vorne wieder hinaus. Beim Kirschner in der Rottaler Hüttn war es genauso. An der Straßenseite war es wesentlich schlimmer als bei uns in der Holzhamer Hütte und in der Afhamer Hütte hat man schon wieder gar nichts mehr vom Hochwasser gemerkt. Bei uns ist es bis zur Zeltmitte hinein. Wenn wir den Wirtsgarten nicht gehabt hätten, wäre noch viel mehr geflutet worden. Aber die Holzbalken vorm Zelt haben das Wasser etwas abgehalten. Freitag Abend um 11 Uhr hat der Elektriker angerufen und gesagt, dass er den Strom ausschalten muss, weil es zu gefährlich wird, aber am Samstag ist das Volksfest wieder weitergegangen.
Gab es da nicht viel zum Aufräumen?
Henrike: Ja, auf jeden Fall. Feuerwehr und THW waren die ganze Nacht voll im Einsatz und haben gearbeitet. Und auch für die Festwirtsfamilien gab es einiges zu organisieren, damit es am nächsten Tag weitergehen kann. Wir haben dann zum Beispiel auch bei anderen ausgeholfen. In der Poighamer Hütte stand der Schos Guggenberger in der Küche bis zur Hüfte im Wasser. Bis zur Hüfte! Ich hab ihn dann am nächsten Tag angerufen und gefragt, was man helfen kann. Es hat schon wieder alles funktioniert, bis auf die Breznöfen, also haben wir bei uns ein paar Kisten gebacken und sie ihnen rübergeschickt.
Das heißt, es wird zusammengeholfen?
Sebastian: Ja immer! Das gilt für die ganze Region und nicht nur zum Karpfhamer.
Die Schänke in der Holzhamer Hütte in den 50er-Jahren. Damals gab es noch keinen Boden im Festzelt.
Die Küche in den 50er-Jahren ist kein Vergleich mit der modernen Ausstattung im heutigen Festzelt.
Der frühere Vorsitzende des Festvereins und Seniorchef der Holzhamer Hütte, Sebastian Winbeck mit Enkel Sebastian Lösing und Urenkel beim Festzug.
Was ist für euch das Typische – das Besondere – am Karpfhamer Fest?
Henrike: Ich denke, das Besondere ist, dass sich das Karpfhamer trotz des erhöhten Geschäftsgangs der vergangenen Jahrzehnte immer noch so regional und traditionell anfühlt. Obwohl das Fest ein immer größeres Einzugsgebiet hat, gerade auch wegen der Ausstellung – die ja eine der größten ihrer Art im süddeutschen Raum ist – haben wir immer auch ganz stark das Publikum aus der Region vertreten. Es kommen viele Menschen, für die das Karpfhamer schon immer dazugehört hat und die die Tradition dahinter wertschätzen und sich freuen, sie mit anderen zu teilen.
Sebastian: Auch unsere Art macht das Fest mit aus, würde ich sagen. Damit meine ich, wie die Niederbayern eben sind: ländlich und traditionell geprägt, bodenständig, trotzdem offen und gesellig, mit Freude daran, unsere Kultur gemeinsam zu feiern und sich bei gutem Essen und toller Unterhaltung ganz klassisch im Bierzelt eine schöne Zeit zu machen.
Was beeindruckt euch immer wieder aufs Neue rund ums Volksfest?
Henrike: Da fallen mir die Pferde ein. Die sind auch sehr eng mit dem Rottal und damit auch mit dem Karpfhamer verbunden. Ein ganz besonderes Erlebnis ist immer die Fahrt des Rottaler Zehnerzugs, wenn ein Fahrer auf einer historischen Postkutsche fährt, die von 10 Rottaler Rössern gezogen wird. Wirklich sehr, sehr sehenswert, da bekommt man schon Gänsehaut. Auch der Einzug am Freitag ist immer besonders schön und mit so viel Tradition verbunden.
Sebastian: Ich finde es immer wieder beeindruckend, was rund ums Karpfhamer Fest von allen geleistet wird. Es wird so viel geplant, gebaut und organisiert. In den fünf Tagen herrscht in Karpfham dann wirklich Ausnahmezustand. Eigentlich ist es ja ein kleiner Ort. Das Jahr über fällt es manchmal schwer, sich vorzustellen, was da zur Festzeit gleich nebenan auf der Wiese los ist.
Die Holzhamer Hütte und das Karpfhamer Fest in der Passauer Neuen Presse
Die Pferde der Brauerei waren in den Boxen des Landgasthofs Winbeck eingestellt. Das Gespann fuhr damals täglich zum Karpfhamer Fest.
Auch heute noch darf das Gespann der Brauerei Graf Arco beim Festzug nicht fehlen.